Förderung für Kinder
mit einer Lese- Rechtschreibschwäche

 

Stand: Januar 2006

 

 

Zusätzlich zum regulären Deutschunterricht werden Kinder mit auffallender Lese-Rechtschreibschwäche an der WBS in einer Wochenstunde gefördert. Mehr Förderzeit ist unbedingt angebracht, sobald die Stundentafel das tragen kann! Optimale organisatorische Möglichkeit wäre die tägliche zusätzliche Übungsstunde.

 

Die LRS ist eine Teilleistungsschwäche, das heißt: Die Lese-Rechtschreibkompetenz ist im Vergleich zu anderen kognitiven Fähigkeiten - und bezogen auf den erreichbaren Bildungsgang - zu niedrig. Fehler und Misserfolge müssen aber als Einstieg in ein neues Lernen gesehen werden und nicht als Merkmale einer defizitären Persönlichkeitsstruktur. Der Förderunterricht muss wie jeder Unterricht in erster Linie pädagogisch geleitet werden und auf passgerechte Methoden setzen.

 

 

 

1. Lese-Rechtschreibschwäche erkennen

 

Vorläuferfähigkeiten des Lesens wie des Schreibens sind visuelle und auditive Wahrnehmung, Merkfähigkeit und logisches Denken. Deutliche Störungen bei der Herausbildung grundlegender Lese- und Rechtschreibstrategien lassen sich an folgenden Symptomen festmachen:

 

verzögerte Sprachentwicklung:

 

  • geringer und nicht altersspezifischer Wortschatz
  • niedrige phonologische Bewusstheit
  • eingeschränkte Beherrschung der Syntax (unvollständige Sätze)

 

Schwierigkeiten beim Erwerb der Lesefähigkeit:

 

  • mindere Lesegeschwindigkeit, Raten von Buchstaben oder ganzen Wörtern
  • Probleme in der Sinnentnahme (Leseverständnis)
  • Verwechseln gestaltähnlicher oder komplexer Buchstabenfolgen

 

beim Schreibenlernen:

 

  • Auslassen, Ersetzen, Verdrehen oder Hinzufügen von Buchstaben
  • hohe Fehlerzahl in allen Rechtschreibbereichen, auch beim Abschreiben

 

 

Es entsteht im Lesen und Schreiben ein gravierender Rückstand gegenüber der Lerngruppe.

 

 

 

2. Kompetenzen erreichen

 

  • Bausteine zur Lesekompetenz

 

Über den Erwerb der Lesetechnik (Buchstabenzeichen sind Lauten zugeordnet, werden als Laute gesprochen) gelangt man im Leselernprozess zur Lesefähigkeit (Wörtern, Sätzen, Texten wird ein Sinn entnommen, sie werden erlesen). Die Lesefähigkeit wird in den meisten Fällen ausgebaut zu einer Lesefertigkeit (Texte werden sinnbetont und sinnbewusst gelesen, vorgelesen und anschließend auch erläutert, erklärt, anderen mitgeteilt).

 

Ziel ist das Aneignen einer Lesekompetenz, die zur Kommunikation über Textarten und allgemeine Literatur befähigt (späte Stufe, meist nicht in der Grundschulzeit erreichbar).


Während der Grundschulzeit lernen die Kinder zu unterscheiden zwischen Texten, die der Information dienen und solchen, die zur Unterhaltung gelesen werden; wichtig ist, dass das Lesen in jedem Fall als erstrebenswert und lohnend empfunden wird.


Lesestufen:


Aus der Schriftlosigkeit, einer Zeit, in der Buchstaben nur als grafische Zeichen wiedererkannt werden wie der Schriftzug von Coca Cola oder andere Werbeschlagwörter gehen die Kinder über zum situationsgebundenen Lesen, d.h. sie lesen Wörter wie Bilder, wobei den Buchstaben Laute zugeordnet werden.
Es folgt das "Ganzwortlesen", die Synthese findet statt, Wörter werden kontextunabhängig erkannt und erlesen. Das selbstständige, sinnerfassende Lesen soll von allen Kindern am Ende der Grundschulzeit beherrscht werden.

 

Leseübungen sind ein deutlicher Bestandteil jeder LRS-Förderstunde:
Leseübungen mit Selbstkontrolle (Lies genau!), Lesepuzzles, Logico, Paletti, einfache Ganzschriften, Budenberg Computerprogramme kommen zum Einsatz.

 

Jeder Umgang mit Texten, jede Bearbeitung von Texten hilft Kompetenzen im Lesen zu erweitern.

 

  • Bausteine zur Rechtschreibkompetenz

 

Fehler begleiten das Schreiben von Anfang an; man kann sie als Negativum ansehen, aber besser ist sie als Annäherung an Richtiges zu betrachten.


Im LRS-Unterricht sollen die Wahrnehmung geschult, die Merkfähigkeit erweitert und die Rechtschreibung in kleinen Schritten gesichert werden. Dazu sollen die Kinder sich ein Repertoire an passenden Handlungsstrategien aneignen. Das systematische Wiederholen von Wörtern aus dem Grundwortschatz (sog. Kopfwörter, Übungsreihen), das rhythmisch-synchrone Sprechschreiben mit dem Schwerpunkt Silben und in Maßen das Erlernen und Anwenden einsichtiger Regeln gehören zu diesen Strategien.


Die Rechtschreibprobleme:

 

  • Dehnung (h, ie, Vokalverdoppelung)
  • Schärfung (doppelte Mitlaute hinter kurzem Vokal)
  • Großschreibung (Nomen, Satzanfänge, Höflichkeitsformen, substantivierte Wörter, besondere Endungen wie -heit, -keit, -nis, -ung)
  • Laute aus mehreren Buchstaben
  • Fremdwörter (Ableitungen, Wortbausteine)
  • willkürlich festgelegte Schreibungen, die man sich einfach merken muss

 

Rechtschreibprobleme treten nicht isoliert voneinander auf, sie stehen in Texten nebeneinander. Die Schüler können aber über Kontrollmöglichkeiten informiert werden, sie anwenden lernen und ihre Rechtschreibung erfolgreich ändern. Die Anwendung wird eingeübt und ständig wiederholt.
Hier drei aus vielen Beispielen, die bei der Kontrolle helfen:

 

"Prüfe, ob jede Silbe einen Vokal hat und sprich beim Aufschreiben deutlich mit!"

Oder:

"Suche den Wortstamm (verwandte Wörter) um herauszufinden, wie das gesuchte Wort geschrieben wird!"

Oder:

"Sprich langsam und deutlich und schreibe jeden Laut, den du hörst!"

 

Die rechtschriftliche Sicherung läuft nur über viele Wiederholungen und immer in kleinen Schritten.

 

Natürlich ist das übliche Diktat der Schrecken aller Kinder, die die Rechtschreibung nicht schnell anwenden können und Hilfen brauchen.

 

Diktate mal anders:

 

  • Bilddiktate ("Male, was du erzählt bekommst!")
  • Laufdiktate (laufen, lesen, zurück an den Platz, aufschreiben)
  • Dosendiktate
  • Partnerdiktate
  • Schmunzeldiktate
  • Würfeldiktate ("Schreibe die Sätze mit den Nummern, die du würfelst!")

 

Ähnlich viel Abwechslung gibt es beim Erlernen des richtigen Abschreibens, beim Nachschlagen in Wörterbüchern und Lexika und schließlich - aber aus Zeitgründen nicht häufig im LRS-Unterricht möglich - beim Freien Schreiben.

 

  • Bausteine zur Graphomotorik (Feinmotorik allgemein)

 

Alle Übungen, die die Handgeschicklichkeit, die Auge-Hand-Koordination, das Rhythmusgefühl und fließende Bewegungen fördern, helfen die Motorik des Schreibens zu fördern und zu automatisieren.

 

  • zu Hause, in den Pausen, beim Autofahren Geschicklichkeitsspiele mit den Fingern (Fadenspiele, Knoten lösen, Fingerturnen)
  • das Ausschneiden und Papier falten üben
  • rhythmische Aufgaben hören und nachahmen oder nach Beschreibung ausführen
  • Jonglieren mit Tüchern (schult Rhythmusgefühl und Auge-Hand-Koordination)

 

Den Kindern fallen oft viele andere Möglichkeiten zum Üben ein!


Oft hilft körperliche Bewegung zur Entspannung und weitet die Aufnahmefähigkeit für das Erlernen von Schreibstrategien.

 

  • Bausteine zur Erweiterung des aktiven Wortschatzes

 

Kinder haben viele Fragen und wollen über viele Themen sprechen, sie üben dabei ihre Sprechwerkzeuge deutlich, akzentuiert und sinnbetont zu gebrauchen und erweitern in jeder Situation ihren verfügbaren aktiven Wortschatz. Ausdrucksweise und Sprachstil verbessern sich sichtlich bei Kindern, die Zuhörer, Gesprächspartner und Diskussionsteilnehmer sein dürfen.


Kinder mit LRS-Problemen brauchen Eltern und Lehrer mit viel Zeit und Geduld; Zuwendung und ernste Aufmerksamkeit für ihre Schwierigkeiten helfen ihnen über das Gefühl einer persönlichen Schwäche hinweg.
Wesentlich und sehr wichtig ist das Zuhören beim Vorlesen, Kinder erweitern mit jeder Informations- aber auch mit jeder Fantasiegeschichte ihr Wissen über die Welt.

 

 

 

3. Erlasslage und Handhabung

 

In der "Verordnung über die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten beim Lesen, Rechtschreiben oder Rechnen" vom 29.7.05 wird in §1 Absatz 2 folgender Grundsatz formuliert:

 

"Schülerinnen und Schüler mit besonderen Schwierigkeiten beim Lesen, Rechtschreiben oder Rechnen haben in allen Schulformen einen Anspruch auf eine angemessene individuelle schulische Förderung. Sie sollen individuell so gefördert werden, dass die Schwierigkeiten so weit wie möglich überwunden werden können."

 

Um Fördermaßnahmen (§2) einleiten zu können müssen zunächst die Lernausgangslage festgestellt und die besonderen Schwierigkeiten diagnostiziert werden (Klassenlehrer, Klassenkonferenz). Die Beobachtungen beginnen in der Jahrgangsstufe 1.

 

Gegenstand der Beobachtungen:

 

  • sprachlicher, kognitiver, emotional-sozialer und motorischer Entwicklungsstand
  • Lernmotivation
  • Sinnestüchtigkeit
  • Fähigkeiten der optischen und akustischen Wahrnehmung und Differenzierung
  • Symbolverständnis
  • feinmotorische Fertigkeiten
  • individuelles Lernverhalten
  • Lerntempo

 

Lehrkräfte können sich bei der Diagnose beraten lassen (Schulpsychologen, Schularzt, Sonderpädagogische Beratungs- und Förderzentren).


Es wird ein individueller Förderplan erstellt, über dessen Inhalt die Eltern ausführlich informiert werden; dabei wird auch auf häusliche (und andere außerschulische) Unterstützungsmöglichkeiten, geeignete Fördermaterialien und Motivationshilfen hingewiesen.

Fördermaßnahmen in der Schule greifen durch innere und/ oder äußere Differenzierung. Bei der Leistungsfeststellung wie auch bei der Leistungsbewertung können schulintern besondere Regelungen (Bemerkungen zur Note im Fach Deutsch) getroffen werden.

Der Besuch bestehender Förderkurse ist für die Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem Förderbedarf verpflichtend.

 

§4 befasst sich mit der Erstellung individueller Förderpläne (Klassenlehrer, Klassenkonferenz, Einbeziehung der Eltern), in dem auch zusätzliche außerschulische Fördermaßnahmen aufgeführt werden. Die Lernentwicklung wird einmal im Schulhalbjahr in der jeweiligen Klassenkonferenz besprochen.